Naturschutzhaus e.V.

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Wiesbaden, Rheingau-Taunus

Aufforderung zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen

Folgendes Schreiben mit 3 Seiten Anlage ging im Juni 2001 an verschiedene Adressaten, vor allem an die Gemeinden im Verbreitungsgebiet der Äskulapnatter.

Geantwortet hierauf hat bis jetzt (Oktober 2003) lediglich die Gemeinde Schlangenbad. Sie führte umfangreiche Maßnahmen durch.

PDF-Icon Schreiben an die Gemeinden (PDF, 100 kB)

Planung und Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen
hier: Äskulapnatter

Die Äskulapnatter zählt mit nur vier voneinander isolierten Vorkommen in der Bundesrepublik Deutschland zu den seltensten Reptilienarten und gilt nach der aktuellen Roten Liste bundesweit als "vom Aussterben bedroht". Zwei dieser Vorkommen liegen im südöstlichen Bayern und stellen die westlichsten Ausläufer eines geschlossenen Verbreitungsareals dar, völlig isoliert sind dagegen die beiden Vorkommen im Taunus (Hessen) und im Odenwald (Hessen, Baden-Württemberg).

Allein aufgrund dieser inselartigen Reliktverbreitung und der klimatisch ungünstigen Situation an der nördlichen Arealsgrenze besteht in der Bundesrepublik Deutschland ein akutes Gefährdungsrisiko für diese - ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende - Schlangenart. Die primäre Ursache dafür, dass die Schlange derzeitig vom Aussterben bedroht ist, ist jedoch die massive Lebensraumzerstörung, die u. a. charakterisiert wird durch:

  • Zersiedelung der Landschaft und damit Zerschneidung von Biotopen und Populationen, zwischen denen kein Austausch mehr besteht
  • Intensivierung der Landwirtschaft und Aufgabe der extensiven Nutzungsformen (z. B. Streuobstwiesen)
  • Ausräumung der Landschaft und damit fehlende Strukturen wie Steinhaufen, Feldmauern, Holzhaufen, Feldscheunen
  • Rekultivierung von Sekundärstandorten (Steinbrüche, Kies- und Tongruben, Schuttplätze)
  • weiter zunehmender Straßenverkehr
  • Zerstörung oder Nutzung der Eiablageplätze
  • Verbuschung von Brachen und Ruderalstandorten
  • Aufforstung von vegetationsarmen Trockenstandorten

Weiterhin ist für die kulturfolgenden Populationen die Gefährdung durch Hauskatzen zu nennen.

Um der Äskulapnatter auch langfristig ein Überleben an ihrer nördlichen Arealsgrenze in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern, sind folgende Schutzmaßnahmen dringend erforderlich:

  • Ausweisung von Schutzgebieten in den Kernzonen der einzelnen Verbreitungsgebiete nach bayerischem Vorbild
  • Überwachung der Schutzverordnungen und Erstellen wirksamer PfIegepläne in bereits bestehenden Schutzgebieten
  • Aufrechterhaltung einer extensiven Nutzung in traditionellen Kulturlandschaftsbiotopen wie Wiesen, Streuobstwiesen und Weinbergen als essentielle Frühjahrs- und Sommerlebensräume der Äskulapnatter
  • Erhaltung und Pflege naturnaher Laubmischwälder und strukturreicher Waldrandsysteme als potentielle Überwinterungsquartiere und Spätsommerhabitate
  • Erhaltung und Pflege linearer Biotopstrukturen, wie Bahndämme, Straßen und Wegränder als Ausbreitungsachsen bzw. Verbundsysteme zwischen verschiedenen Teilpopulationen innerhalb des Gesamtareals
  • Dauerhafte Sicherung bereits vorhandener und gezielte Neuanlage von Eiablageplätzen, um auch künftig eine erfolgreiche Reproduktion zu gewährleisten
  • Regionale Informations- und Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit über die Schutzwürdigkeit der Art
  • Kontinuierliche Kontrolle und wissenschaftliche Überwachung der Bestandsentwicklung in den jeweiligen Verbreitungsgebieten, um bei möglichen Veränderungen gezielt eingreifen zu können.

Anlass dieses Schreibens sind jedoch vor allem eine Fülle von Negativerfahrungen bezüglich der Bestandserhaltung und -sicherung von Vorkommen der Äskulapnatter bei verschiedenen Planungen und Eingriffsvorhaben. Trotz der umfangreichen naturschutzrechtlichen Regelungen findet die Art, die hier stellvertretend auch für viele andere Tierarten steht, oftmals keine oder zuwenig Berücksichtigung.

Da dies gerade in letzter Zeit bei einigen bekannten Verfahren (Neubaugebiet Eltville Ost, Niederwalluf Bahnhof, Wambach-Nord usw.) offensichtlich wurde, haben wir die nachfolgenden grundsätzlichen Bemerkungen aufgelistet.

Zu Verbreitung und Vorkommen im Bereich Rheingau-Taunus und Wiesbaden ist festzustellen:

  • ein Kartenwerk zu Fundorten und Verbreitung der Äskulapnatter (erstellt von Herrn Heimes) liegt vor.
  • ein ergänztes und aktualisiertes Kartenwerk (erstellt durch Naturschutzhaus in Zusammenarbeit mit Privatpersonen, und ortsansässigen Gruppen und Verbänden) ist als Anlage beigefügt.

Aus diesen Unterlagen ist zu ersehen, dass die Äskulapnatter im gekennzeichneten Verbreitungsgebiet (markiert) grundsätzlich fast flächendeckend vertreten ist. Es dürfte der Ausnahmefall sein, dass die Äskulapnatter in Teilen des Verbreitungsgebietes nicht vorkommt.

Bei den aufgezeigten Markierungen handelt es sich um punktuell relativ große Populationen, die Anzahl der Markierungen spiegeln allerdings nicht die Anzahl der Tiere wieder.

Auch bei den dargestellten Einzelfunden ist mit größeren Populationen zu rechnen, die nach derzeitigem Wissenstand möglicherweise noch nicht erkannt wurden, d. h. es ist mit Ergänzungen zu rechnen.

Bei allen Planungen im derzeit bekannten Verbreitungsgebiet muss also prinzipiell von Vorkommen der Äskulapnatter ausgegangen und diese somit berücksichtigt werden. Letztendlich ist immer zu prüfen, ob ein Vorkommen der Äskulapnatter ausgeschlossen ist und ob das Gebiet auch potentiell ohne Bedeutung für die Art ist.

Leider wurden in der Vergangenheit diese Prüfungen und die damit verbundenen Konsequenzen neben den o. g. Projekten auch bei den meisten B-Plänen, Forsteinrichtungsplanungen und selbst bei Einzelbaumaßnahmen (z. B. Gaststätte Rausch) versäumt oder übersehen. Auch die erforderlichen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen wurden daher nicht durchgeführt.

Wir bitten daher bei künftigen Maßnahmen alle Beteiligten um erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber artenschutzrechtlichen Belangen.

Bezüglich der Äskulapnatter sind - neben den o. g. Schutzmaßnahmen - auch die folgenden Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung der Vorkommen zu ergreifen:

  1. "Biotop-Korridore" bei Bebauungsplänen einarbeiten. Die Durchlässigkeit gerade in Ortsrandlagen muss gewährleistet sein.
    Eine Ausgleichsfläche muss dafür nicht unbedingt am Bebauungsrand liegen. Bei vorausschauender Planung können auch Grünzüge mit Biotopelementen durch Bebauungen laufen, wenn dies angebracht ist.

    Vernetzungselemente sind z. B. mindestens 3-4 m breite Heckenstrukturen, die nicht genutzt (keine Unterbrechungen durch Spiel- und Bolzplätze o. ä.) und maximal extensiv gepflegt werden. Gerade diese Linienstrukturen werden als "Wanderweg mit Deckung" ähnlich der Feldhecken, von vielen Tierarten angenommen (Kriechtiere, Vögel, Fledermäuse usw.). Die ist insbesondere dann wichtig, wenn die Bebauung einen Keil in der Landschaft darstellt.

    Es ist im jeweiligen Einzelfall die Fülle der Möglichkeiten zu überprüfen und etwas mehr Kreativität an den Tag zu legen, als dies bisher leider oft der Fall ist.
  2. Freistellen u. Freihalten von Trockenmauern, Instandsetzung nicht fugenlos, abschnittsweise restaurieren (Positivbeispiel: ehem. Gebückmauer Niederwalluf)
  3. Einrichtung von Eiablageplätzen mit Unterschlupf (Ast/Grasschnitthaufen, Steinschüttung, Kompost, Sägemehl, Holzstapel, Häckselgut, Totholzhaufen) Diese Strukturen dürfen von Mai bis Oktober nicht verändert werden!!!